Geschichte des OTV 1847 e. V.

Kurzer geschichtlicher Abriss

04.11.1847 in hiesiger Schankwirtschaft gegründet, federführend zwei Theologen, „gesponsert“ durch einen Gutsbesitzer
Übungsstunden in Gastwirtschaften und auf Viehweiden
1851/52 vorübergehendes Aus
04.05.1862 Neubeginn unter dem Namen OTV 1862, u. a. Teilnahme an Gau- und Deutschen Turnfesten, Turnfahrten bis ins Riesengebirge
1891 Gründung einer Frauenriege
1922-1925 Erfolge auf Sachsenebene in der Leichtathletik, Umbenennung in OTV 1847 e. V.
1933-1945 einziger Verein in der Stadt mit vielen Abteilungen (Turnen, Tennis, Handball, Fußball, Fechten, Schwimmen, Leichtathletik)
Juni 1945 Verbot der Wiederaufnahme des Turn- und Sportbetriebes durch die Besatzungsmacht , Auflösung des Vereins seit Ende der 40er Jahre Turnen in BSG Fortschritt Oschatz
18.01.1990 Loslösung von der BSG Fortschritt und Neugründung des OTV 1847 e. V.
wichtige Übungsleiter: Fritz Starke (ab Mitte 50er Jahre)
Erich Fischer (bis 70er Jahre)
Christa und Carl- Heinz Wittig (60er bis Ende 80er Jahre)
Paul und Ottmar Scholz
Otto Schröder
Marlis Korn
Ines und Kerstin Thomczyk
Marion Weidemann
Olaf Schenk
und viele Jugendliche und weitere Erwachsene
Sektionsleiter: Werner Langheinrich (bis 1971)
Rüdiger Ewert (bis 1985/86)
Steffen Ulbrich (ab 1986/89)

Die Wiedergründung des Oschatzer Turnvereins im Jahre 1862

Bis 1972 war man im OTV der Ansicht 1862 sei ein neuer Turnverein entstanden. 1908 als eine Riege aus dem Verein austrat und diese sich den Namen „Männerturnverein“ gab, setzte man im Vereinsname „Oschatzer Turnverein – von 1862“ hinzu. Erst in der Weimarer Republik war man bereit, ein klares Bekenntnis zur Gründerverein von 1847 abzulegen.

In der außerordentlichen Hauptversammlung vom 28. März 1927 gab der Vereinsvorsitzende Dr. Hebold im Namen des Turnrates folgende Begründung für die Veränderung des Vereinsnamen an: „Durchgreifender ist aber die Änderung der Jahreszahl 1862 in 1847. Der Turnrat ist der Ansicht, dass der am 4. Mai 1862 gegründete Turnverein nur eine Fortsetzung bzw. Erneuerung des alten Turnvereins vom 4. November 1847 war.“

Neue Bedingungen

Um 1859 entstanden durch die politische Krise in den Staaten des Deutschen Bundes, die die Reaktionszeit beendete, neue Bedingungen auch für die deutsche Turnbewegung. Die Frage: „Auf welchen Weg soll ein deutscher Nationalstaat entstehen?“ verband sich um 1859/60 mit einer großen patriotischen Bewegung im deutschen Volke aufgrund der Kriegsdrohungen des bonarpartistischen Frankreichs unter Napoleon III. Es kam zu zahlreichen gesamtnationalen Zusammenkünften und in Folge zu massenhaften Wieder- und Neugründungen von Turn-, Schützen- und Gesangsvereinen. Erster Höhepunkt der deutschen Turnbewegung war das Nationalfest der deutschen Turner am 17. und 18. Juni 1860 in Coburg. Der hier unter dem Banner Schwarz- Rot-Gold im Festzug und in den Turnübungen demonstrierte Drang, als Turner dem Vaterlande zu dienen, im Sinne von Altmeister Jahn für Deutschlands Einheit zu streben und „die Pflege der Leibesübungen nach den stumpfsinnigen Jahren auch den Erwachsenen wieder zuteil werden zu lassen“, erreichte schließlich im Jahre 1862 auch Oschatz. Es war eine Zeit angebrochen, wo man sich wieder freier zu Idealen bekennen durfte. Verschiedene „turnlustige Männer“ vor allem Ratskopist Hermann Barthel, Buchhalter Gustav Schmieder, Kommis Hugo Lazer (Turnschüler von 1848), Techniker Rudolf Schmieder, Klempner Heinrich Oaser und Kommis Otto Liesche, ergriffen die Initative.

Wahl des Vorstandes

Sie luden durch ein Rundschreiben für Sonntag, den 4. Mai 1862, nachmittags 2 Uhr, 22 gleichgesinnte Männer in die große Stube des Ratskellers ein. „Zur festgesetzten Zeit erschienen 23 Personen und erklärten sich mit der Gründung des Vereins einverstanden, bekannten sich zu dem etwas abgeänderten Grundgesetz der Chemnitzer Turnklubs (das Gustav Schmieder besorgt hatte) und wählten ihren Vorstand bzw. Turnwart, Hermann Barthel als Schriftwart, Hugo Lazer als Kassenwart und Zimmermeister Irmscher zum Zeugenwart.

Die Mitgliederzahl wuchs sehr schnell. Zur Gründung am 4. Mai 1862 waren es 24, am 19. Mai 1864: 200 sowie fünf Zöglinge (d. h. Jugendliche von 14 bis 17 Jahren). Die städtischen Behörden überließen dem Verein den Platz am Dippoldisberg (bei der späteren Reithalle, heutige Feuerwehr), auf dem schon die Übungen der Schulkinder stattfanden, für den Sommerturnbetrieb. Zimmermeister Irmscher fertigte für den Männerturnbetrieb neue, stärkere Gräte an, u. a. ein Gerüst mit schiefen Kletterstangen, drei Barren, vier Recksäulen, drei Reckstangen. Die Turnkleidung war grau, die Kopfbedeckung ein „niederer dunkler Filzhut“. Deshalb wurden die Turner in Oschatz „Graujacken“ genannt.

Erstes Turnfest

Die ersten Turnübungen fanden am 19. Mai statt. Am 13. Juli wurden die neuen Gerätschaften festlich im Beisein einer großen Zuschauermenge und geladener Gäste, unter ihnen Großenhainer, Riesaer, Meißner und Wurzener Turner, eingeweiht. Auf diesem ersten Oschatzer Turnfest nach der Wiedergründung wurde von zehn „noch lebenden“ Mitgliedern des Vereins von 1847, den Turngenossen Christian Ernst Wagner, Ernst Hildebrand, Ernst Pfeiffer, Carl Mende jun., Carl Gelbricht, Heinrich Vincentz, Gustav Nenke, Carl Röber, Hermann Beyer sowie dem Stadtkassenkontrolleur Kurth die Fahne (von 1849) des 1847er Vereins feierlich übergeben und zur „Benutzung überlassen“. Kurth hatte sie zuletzt sicher aufbewahrt.
Diese zehn Altturner wurden später zu Ehrenmitgliedern ernannt. Kurze Zeit später stieß ein weiterer „Altturner“, der schon erwähnte Zigarrenfabrikant Manek, zum Verein.

Zum Turnfest vom 13. Juli konnte man kurz danach im Riesaer Elbeblatt und Anzeiger lesen: „Oschatz. Am 13. Juli fand in unserem gewöhnlich sehr ruhigen Ort ein Fest statt, welches alle in die größte Bewegung versetzte... Die Übungen, wenn auch von leichterer Art, wurden schön und mit Festigkeit ausgeführt. Schließlich hatten wir noch die Freude, die Anmeldung von 23 Bürgern als Mitglieder entgegenzunehmen“.

Auch Turnfahrten standen schon im ersten Jahr des Wiederbestehens auf dem Plan. Die erste führte die Teilnehmer nach Reppen, doch nur wenige sollten teilgenommen haben. Das Ziel der zweiten war Riesa, zu dessen Turnern die Oschatzer später viele kameradschaftliche Bindungen hatten und gemeinsam „manche vergnügte, feucht-fröhliche Stunden verbracht haben“. Nach längeren Verhandlungen richtete der Stadtrat in den sogenannten Fleischbänken (heute Kreissparkasse), in der oberen Etage einen Turnsaal ein. Er wurde am 8. Dezember 1862 in Gegenwart von Vertretern der städtischen Behörden feierlich dem Turnverein übergeben und diente dem OTV bis 1881 als Turnraum. Auch das Kinderturnen (Schulunterricht) fand hier statt. Später nutzten diesen Turnsaal auch das Ulanenregiment und das Lehrerseminar.

Zum Turnbetrieb des ersten Jahrzehnts selbst ist überliefert: „Was das turnen angeht, so wurde dessen Rahmen allmählich erweitert. Es wurden Turnstäbe angeschafft, das Gerkämpfen und Exerzieren eingeführt, eine Riegeneinteilung geschaffen und die wichtige Bestimmung getroffen: Wer nicht Freiübungen mitturnt, wird vom Geräteturnen ausgeschlossen.“ Wegen des militärischen Exerzierens kam es sogar zu Zwistigkeiten. Wegen der „Exerzierwut“ des Turnleiters Schiele legte der 1. Turnlehrer Schönfelder 1865 sein Amt nieder. Auch andere Streitigkeiten führten anfangs mehrmals zu Funktionsänderungen. Schon am 20. Oktober 1862 trat der Vorsitzende G. Schmieder wegen Uneinigkeit zurück. An seiner Stelle übernahm Nadlermeister E. M. Arndt den Vorsitz des Vereins.